„Du hast mich ein paar Jahre mit dem Arsch nicht angeschaut!“, meinte meine Schwester einmal. Nicht im Vorwurf, eher als Feststellung. Mich beschlich ein schlechtes Gewissen. Konnte das wahr sein?
Wie hätte ich dieses quirlige kleine Schwesterding denn einfach so ignorieren können, das immer schon mit dem nächsten Abenteuer um die Ecke bog, ehe ich mich überhaupt nur aufmachen konnte, eines zu suchen, mit dem es nie langweilig wurde, das eine Überraschung nach der anderen aus dem Hut zauberte, zeitweise ein Huhn im Kinderzimmer hielt, von galoppierenden Pferden sprang und auch sonst neugierig wie unerschrocken voranging, wenn es etwas auf Rollen auszuprobieren galt oder im Gebüsch raschelte?
Rückblickend kann ich mir meine Ignoranz nur erklären durch pubertätsbedingte Synapsenlockerung und Abnabelungsprozesse, die da eben lebensabschnitts- und entwicklungsbedingt stattfinden (müssen).
Nun verhält es sich mit der einsetzenden und / oder laufenden Pubertät meiner Kinder so, dass ich den Eindruck habe, dass sich nicht bei meinen Kindern, sondern erneut bei mir die Synapsen lockern! Oft verstehe ich meine Kinder einfach nicht. Bleibe ratlos zurück - am Esstisch, im Türrahmen, auf der Couch. Gucke meinen Kindern hinterher, während mein Hirn noch ihre Worte zu dechiffrieren versucht wie einen geheimen Code. Was schwer ist, denn meist werden die Worte meiner Kinder von Stimmungen begleitet, die so gar nicht zu der verbal überbrachten Nachricht passen wollen. Wäre da noch ihr Körper, der wieder eine ganz andere Sprache spricht! Leise Worte, hängende Schultern plus hasserfüllter Blick. Schrille Stimme, schlaksige Armbewegungen plus hundemüder Blick.
Okay. Ich bin nicht so gut vorbereitet auf das Leben mit Teenagern, wie ich mir das eigentlich vorgenommen hatte. Zumindest wollte ich doch so ein bisschen verstehen, was da hormonell passiert im Körper einer Heranwachsenden und was genau das für unser Zusammenleben bedeuten könnte.
Schlussendlich habe ich es dann nicht einmal mehr geschafft, „Das Pubertier“ von Jan Weiler rechtzeitig zu lesen.
Stattdessen saß ich bei unserer Kinderärztin, die achselzuckend verkündete: „Da brauchen sie nicht länger zu warten. Ihre Tochter ist bereits in der Pubertät.“ Ich sank direkt ein wenig tiefer im Sprechstundenstuhl ihr gegenüber. Mir schwante Übles. Am Abend guckten mein Mann und ich noch schnell „Das Pubertier“, den Film.
Ehe wir uns versahen, passierten dann tatsächlich Dinge, bei denen meinem Mann und mir mitunter mal kurz das Frühstücksbrötchen im Halse stecken blieb. So gern ich dir schon jetzt erzählen würde, was sich bei uns seither so ereignet, werde ich das erst tun, wenn vier Pubertäten hinter uns liegen und die Kinder mir hochoffiziell die Freigabe dafür erteilen. Bis hier hin darf ich das allerdings mit ausdrücklicher Genehmigung meiner Tochter erzählen. Ich dürfte sogar öffentlich teilen, welche Worte es genau waren, die sie uns damals auf den Frühstückstisch spuckte. Aber die behalte ich mal schön für mich. Zu gut sind die! Gäben - unter uns! - einen ganz und gar wunderbaren Buchtitel ab! Heute, mit etwas Abstand, können wir sehr gut über besagte Frühstückssituation lachen. Auch wenn unsere Tochter felsenfest behauptet, sich nicht zu erinnern. Aber das bringt wohl die Pubertät so mit sich, stellen wir immer wieder fest. An manche Dinge erinnern wir uns gar nicht, an die anderen völlig unterschiedlich. So kann sich meine Tochter gar nicht vorstellen, dass ihr so etwas jemals über die Lippen gekommen sein könnte… Glücklicherweise habe habe ich Zeugen. Drei kleine und einen großen. Und um dich jetzt zu beruhigen: Wir teilen diesbezüglich auch sehr schöne Momente miteinander. Immer dann, wenn ich im Beisein meiner Tochter meine Freundin beruhigen kann, wenn sie mir von den pubertätsbedingten Eskapaden? Ausbrüchen? Verwirrungen? ihres Sohnes erzählt. Sie ist dann froh, dass sie nicht alleine ist, dass das bei uns auch nicht anders ist. Und dann freuen wir uns beide und sind uns sicher: Da kommen wir irgendwie durch! Das ist für was, womöglich sogar auch wichtig für uns. Aber eins ist klar: Zu ignorieren ist das nicht!
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